Prof. Timm Ulrichs (links) und ich auf der Pressekonferenz am 22.1.2020 |
„Totalkünstler“ Prof. Timm Ulrichs saß auf dem Sofa im
Gartenhaus meiner Eltern, das ich als Kunstatelier nutzte. Man hörte den nahen
Kleibach plätschern und mit selbstgebackenen Kuchen meiner Mutter und frisch
aufgebrühtem Kaffee fühlte er sich sichtbar wohl, so dass unser Gespräch und
gemeinsames Schweigen sich bis in die späten Nachtstunden hinzogen und meine
Mutter irgendwann voller Mitleid Westfälische Schinkenschnittchen mit Gürkchen
und Germania-Bier auffuhr.
Es war Anfang der Siebziger Jahre und Timm Ulrichs
hatte an der Kunstakademie Münster (damals noch Dependance der Kunstakademie
Düsseldorf) gerade seine Professur bekommen. „Man redet und vor allem schreibt man
viel zu viel“, meinte er damals. Man sollte sich kurz halten und nicht den
Menschen Lebenszeit stehlen. Er wäre dafür, eine Wortsteuer einzuführen,
wetterte er.
Nun hat er im Januar 2020 kurz vor seinem 80. Geburtstag in
Berlin den mit 12.000 Euro dotierten Käthe-Kollwitz-Preis erhalten und ich
freue mich, dass ich ihm als einer der ersten gratulieren durfte. Auf der
Pressekonferenz in der Akademie der Künste erzählte er u.a. von seiner
Bauchladen-Aktion in Münster, die für alle Beteiligten ein großer Erfolg war: der
kleine Mann auf der Straße, der nun zum Kunstsammler wurde und Timm Ulrichs
selber, fügte er schmunzelnd hinzu, der mit den Einnahmen einen satten Gewinn
machte.
In der begleitenden Ausstellung fand ich einen meiner Lieblingssätze von
ihm wieder: „Lesen Sie diesen Satz nicht zu Ende!“ Auch seine großartige Arbeit
„Hommage to Gertrude Stein“ war zu sehen. Timm Ulrichs war mein größtes
künstlerisches Vorbild das ich je hatte und ich könnte jetzt… doch bevor ich
Ihnen, geneigter Leser, Lebenszeit stehle oder ich womöglich noch Wörtersteuer
latzen muss, schließe ich hier die Kolumne artig.
(Dieser Text erschien auch am 29.2.2020 in der Münsterschen Zeitung in meiner Kolumne "Seitenblick")
Foto: Lo Graf von Blickensdorf
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