Montag, 12. September 2011

Vom Regen in die Traube

Traube BerlinEs war ein vernieselter Septembertag und da war es das Beste, mit meiner charmanten Begleitung vom Regen in die Traube zu gehen. Das klassizistische Gebäude von 1840 wurde von Prof. Hans Kollhoff mit viel Liebe bis ins kleinste Detail in ein Schmuckstück verwandelt. Mit einer zentralen Essigkastanie im granit-gepflasterten Hofgarten und Holzbriefkästen im Durchgang, deren Maserung exakt parallel mit der Wandvertäfelung einher läuft, strahlt die ehemalige Schmiede eine unaufdringliche Ästhetik aus. Dazu passte das Menü, das uns in die höheren Sphären des Gaumengenusses teleportierte. Wir wurden von einer Kaskade der unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen überrascht, so dass wir unsere Münder nicht mehr zu bekamen. Das war ganz praktisch, den dorthin verbrachten wir den getrüffelten Vulcanoschinken mit herrlichem knusprigem Zwiebelkuchen, zu dem passend der ersteTraube Berlin 2 Federweißer des Jahres gereicht wurde.
Nach einer traumhaft fruchtigen Tomaten-Consommé in der wir eine deliziöse Riesengarnele fanden und gefolgt von einem oberköstlichen Gelbflossenthunfisch, transportierten wir in unsere immer noch permanent offenen Münder einen zarten rosagebratenen Lammrücken mit einer würzigen Kräuterkruste, der auf der Zunge zerging. So wie wir. Vor lauter Genuss. Unsere Geschmacksknospen kamen, ebenfalls wie wir, aus dem Staunen nicht mehr heraus und wurden zum Schluss mit einer famosen Dessertplatte belohnt. Ich richtete mein Augenmerk als Tortengraf natürlich sofort auf die famose Citronentarte, die wohl alle 999 Citronentarts, die ich in meinem Leben schon so verschnabuliert habe, in den Schatten stellte. Chapeau! Dieses durfte ich auch den beiden Köchen Christian Gau und Jörg Paulick, die nicht nur groß im Können sondern auch von Gestalt sind, persönlich in der blitzblanken Küche ausrichten. Außerdem kamen wir noch zu der Ehre, den zufällig anwesenden Prof. Kollhoff zu begrüßen.
Das die immer passend zum Gang abgestimmten Weine in der Traube erstklassig waren, brauche ich hier ja wohl nicht groß erwähnen – bei dem Namen! Insgesamt kann man sagen: Dieser Besuch kam einem kulinarischem Himmelsritt gleich. Nach dem schlaraffischen Abend bekam ich am nächsten Morgen von meiner charmanten Begleitung eine SMS in der stand: “Ich schwebe immer noch im 7. Gourmethimmel!”. Besser kann man es wohl nicht sagen.

Sonntag, 11. September 2011

CHARMEOFFENSIVE

Freitagnachmittag in der Postfiliale am Spandauer Damm. Der Geldautomat ist kaputt und vor den Schaltern ist eine sehr lange Schlange. Eine stark übergewichtige Dame jammert lautstark, dass sie nun kein Fahrgeld für den Bus habe. Ein junger Mann erbarmt sich und bietet ihr an, sie mit seinem Auto zum nächsten Geldautomaten zu fahren. Die Frau meint: "Wenn ick da überhaupt rin passe?" Er beruhigt sie: "Ick hab'n Transporter."
  
Diese Geschichte erschien am 11.9.2011 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik "Berliner Liste".