Sonntag, 19. Oktober 2014

GROBER SCHNITZER

Pauline Stolze Henry de Winter Graf von Blickensdorf
Pauline Stolze, Henry de Winter (Foto: ©Lo Graf von Blickensdorf)
Donnerstagabend während einer Boxveranstaltung auf Schloss Diedersdorf. In der VIP-Lounge bietet eine junge Dame einem eleganten, im Stil der 20er Jahre gekleideten Herrn mit Monokel, ein Kaugummi an. Der lehnt höflich ab: “Nein danke – das passt nicht zu meinem Outfit.”
Diese von mir persönlich erlebte und aufgeschriebene Geschichte, erschien am 19.10.2014 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik "Berliner Liste".

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Ab durch die Mitte

KAFFEEMITTE Graf von Blickensdorf Lemon Bars
Wenn die Torte nicht zu mir kommt, gehe ich eben zu der Torte, dachte ich und stieg in die U-Bahn. Ich hatte morgens früh geduscht. Ich vergaß, dass man dann in der U-Bahn negativ auffällt. Vor mir saß eine alterslose Frau voller Akne-Pickel im Gesicht, die mit der einen Hand ein Laptop auf den Knien bediente und mit der anderen Hand einen stinkenden Döner aß, aus dem ein Teil sich auf Sitz und Fußboden verteilte. Zwischen meinen Beinen rollte scheppernd eine leere Bierdose hin und her. Ich KAFFEEMITTE Graf von Blickensdorf 2nahm schalen Biergeruch wahr. Neben mir saß ein Rapper mit hässlicher Bushido-Frisur Kopfhörern, aus denen schrille Geräusche kamen. Seine Geruchsaura bestand aus einer Mischung aus Schweiß, Sperma und Red Bull. Eine Sitzreihe weiter saß ein südeuropäisch aussehender junger Mann mit Basecap, der sich gedankenverloren mit einem Nagelknipser die Fingernägel pedikürte.
Zu allem Überfluss setzte sich eine blondierte Mittdreißigerin noch zu uns, die eine aufdringliche Parfümwolke vor sich hertrug, dass mir die Tränen in die Augen schossen. Iiiihhh … Dicounter-Parfüm! Müssen die sich dann auch noch darin marinieren? Summa summarum: Ich passte hier nicht rein. U-Bahn fahren ist reine Körperverletzung. Beim Aussteigen drängelte sich ein Mann an mir vorbei, der wie zehn volle Aschenbecher stank. Auf dem U-Bahnhof roch es überall nach alten Turnschuhen und Pisse. Angeekelt machte ich, dass ich weg kam.
Vom U-Bahnhof Weinmeisterstraße ist es nur noch ein Rumkugelwurf bis zum Kaffeemitte, dass sich in einem alten DDR-Plattenbau puristisch eingerichtet hat. An den Tischen saßen vollbärtige Hipster mit Klapprechnern, die still vor sich hin hipsterten. Zwei tätowierte Frauen kamen plappernd herein, mit Handtaschen, die so groß waren, dass mir nicht ganz klar war, wer eigentlich wen trägt. Man hätte den Hausrat meiner Zweizimmerwohnung locker darin verstauen können, plus Toaster. Wenn man da eine volle Mülltüte reintut, findet man sie nie wieder. Praktisch eigentlich. Sie holten ebenfalls ihre Klapprechner heraus und abrupt erstarb das Plappern und ihre Gesichter wurden plötzlich von den Monitoren in bläuliches Licht gehüllt, so dass sie beim Casting für einen Tatort als Leiche in der Pathologie bestimmt den ersten Platz gemacht hätten.
Ich hatte mir ein Stück „Lemon-Bars“ (auf deutsch: Zitronen-Schnitte) an der Theke geholt und verzehrte es genüsslich. Es schmeckte sehr angenehm zitronig und am Puderzucker war nicht gespart worden. Endlich bekam ich den restlichen S-Bahn-„Duft“ aus der gräflichen Nase. Eigentlich eine glatte Zwei, aber für den englischen Namen gab es leider Punkteabzug. Undenkbar, dass in einem Café in Paris „Gâteau de crème de beurre“ einfach als „Buttercremetorte“ angeboten wird. Der Cappuccino bewegte sich erstaunlicherweise im höheren Geschmacksniveau. Kein Wunder, er stammt ja auch von der italienischen Kaffeerösterei Caffé Belardi.
Als ich daran dachte, dass ich mit der Stinkebahn gleich wieder in meine heimatlichen Gefilde fahren musste, wurde mir ganz schummrig. Nein, ich wollte diesen wunderbar zitronigen Duft in meiner Nase nicht gegen den Horror-Geruchs-Cocktail in der U-Bahn eintauschen und schnappte mir einen wohlriechenden Mini-Cooper von DriveNow und rauschte ab durch die Mitte.

KAFFEEMITTE, Weinmeisterstraße 9a, 10178 Berlin-Mitte

Sonntag, 12. Oktober 2014

ANGEZÄHLT

Mundhaar-Monika Graf von Blickensdorf GEMADienstagnachmittag in der U-Bahn in Kreuzberg. Ein Straßenmusiker mit Gitarre und Mundharmonika betritt den Wagen und beginnt zu spielen. Sagt ein Mann zu seiner Begleiterin: "Wo ist die GEMA, wenn man sie mal braucht?” 
Diese von mir persönlich erlebte und aufgeschriebene Geschichte, erschien am 12.10.2014 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik "Berliner Liste".