Mittwoch, 26. Mai 2010

Die geheime Welt des Mr. X

Ich beobachte einen elegant gekleideten Mann, der unter dem Stahlskelett der klapprigen Hochbahn in Kreuzberg etwas befestigt. Als ich näher komme sehe ich, wie er sorgfältig einen kleinen Mann auf einem Fahrrad an einen Stahlträger klebt. Es ist eine dieser Plastikfiguren, wie sie in jedem Modellbahngeschäft erhältlich sind. Ein paar Typen mit Basecaps und Migrationshintergrund in der Nähe schauen kurz misstrauisch zu uns herüber, widmen sich aber dann wieder schnell ganz ihren Handys.
Ich erfahre von dem Mann, der seinen Namen nicht sagen möchte, dass er Künstler ist und schon seit einigen Jahren die Stadt mit seinen kleinen Figuren bestückt. "Ganz Berlin ist mein Atelier." sagt er und klebt eine weitere Figur auf einen wild wuchernden Zweig. "Sogar am Brandenburger Tor klebt schon seit Wochen eine unentdeckte Figur,..." schmunzelt er schelmenhaft, "...trotz der vielen Touristen. Manchmal besuche ich sie..."
Warum nur Figuren und keine Bilder, frage ich ihn. Er entgeht so der kunsthistorischen Last, die das Malen von Bildern mit sich bringt, antwortet er. Er überlässt seine kleinen Figuren der harten Realität - wie im richtigen Leben. Manche Figuren bleiben Jahre und manche sind schon nach wenigen Stunden verschwunden. "Ich sage niemanden, wo sich die Figuren befinden. Das überlasse ich dem Zufall des Betrachters. Umso größer und rätselhafter ist der Augenblick, wenn man zum Beispiel so eine kleine Figur Zeitung lesend auf einer weggeworfenen Coladose entdeckt. Und Fotos mache ich davon auch nie, weil es Aktions-Kunst ist. Manche Figuren werden nie entdeckt - aber das gehört zu meinem Konzept." Während er das sagt, schraubt er die Klebstofftube wieder zu, verabschiedet sich höflich und saust mit seinem Fahrrad davon. Also, Augen auf, vielleicht entdeckt man ja den geheimen Mikrokosmos des introvertierten Mr. X irgenwo in Berlin und lässt sich davon verzaubern.

Freitag, 21. Mai 2010

Klingelingeling, hier kommt der Grafenmann

Gegen diese Fahrradklingel ist der Kölner Dom nur ein müdes Gebimmel. Diese Klingel wird jetzt schon in Reiseführern schlicht als »Sound of Charlottenburg« bezeichnet. Denn ich benutzte sie sogar persönlich an meinem Miele-Fahrrad. Aus diesem Grunde ziert sie eine kleine eingearbeitete Krone. Sie ist laut, und sie muss es auch sein, was jedem klar wird, der einmal vor Ort die Kantstraße oder den Kurfürstendamm in Charlottenburg zu sehen bekommen hat: Die Fahrradklingel ist dort überlebenswichtig und ich betätigte sie praktisch auf jedem Meter meines Weges, um im Verkehrsgewühl auf mich aufmerksam zu machen.
Diese formschöne Klingel wird in einer der letzten kleinen Klingelfabriken direkt an der holländischen Grenze in einem aufwändigen Arbeitsprozess in kleiner Menge von liebevoller Meisterhand hergestellt. Wir konnten uns noch exklusiv eine kleine Stückzahl für unsere verehrte Kundschaft sichern. Um die Langlebigkeit dieser Fahrradklingel zu garantieren, sollten Sie Ihrem Kammerherrn auftragen, die Mechanik etwa einmal jährlich mit einem Tropfen guten Öls zu versehen. (erhältlich hier im Adels-Shop, äh..., die Klingel, nicht das Öl)

Sehen bald alle Banken so aus, Herr Ackermann?

Donnerstag, 20. Mai 2010

Hier entstand "Blaues Blut"


Hier in dieser Hexenküche habe ich die letzten zwei Monate zugebracht, bis mir fast die Nase abgefallen ist. Zwischendurch musste ich immer an Kaffeebohnen riechen, um die Nase zu neutralisieren. Doch es hat sich gelohnt - herausgekommen ist das luxuriöse Parfüm "Blaues Blut" für Damen und Herren, dass sich durchaus mit den gängigen Weltmarken messen kann.

Dienstag, 18. Mai 2010

Euro-Gedicht

Mein kleiner Euro.
Du bist mein Teuro.
Was ich nicht mag?
Du bist zwei Mark!

Ab 1. Juni neue EU-Warnhinweise

Am 1. Juni 2010 tritt die zweite Phase der EU-Richtlinien für Lebensmittelverpackungen in Kraft. Nach den Tabakwarenherstellern sind nun alle Lebensmittelhersteller verpflichtet, Warnhinweise gut sichtbar auf ihre Verpackungen zu drucken. Hier sind schon einmal ein paar Beispiele:

Und ab 1. Januar 2011 tritt die dritte und letzte Phase der EU in Kraft. Von da an müssen auch an allen Autos, Flugzeugen und Schiffen Warnhinweise angebracht sein.

Sonntag, 16. Mai 2010

Graf fitti


Das war heute im Tagesspiegel. Die 13 Euro für das bedruckte T-Shirt haben sich schon gelohnt. Meine Zeit für den 10-km-Lauf betrug übrigens 01:02:01 - meine Bestzeit auf dieser Strecke (zum besseren Lesen auf den Zeitungsausschnitt klicken).

Samstag, 15. Mai 2010

Adels-Ratzefummel

Nein, ein Ratzefummel ist nicht dass Messgewand von Papst Ratzinger. Es ist ein Radiergummi. Aber kein gewöhnlicher. Die Heimat unseres formschönen Radiergummis ist ein kleines Dorf in Amazonien, in dem die Gummibäume für den Radiergummi im sonnenreichen, vom feucht-tropischen Klima des Amazonabeckens gedeihen. Wir beziehen sie vom einzigen Hersteller, dem Compañero Diaz del Castillo, der sich den Adelsradiergummis verschrieben hat – mit Erfolg, wie zahlreiche Prämierungen belegen. In seiner kleinen Manufaktur wird jedes einzelne Radiergummi von Hand gerichtet und einzeln auf Funktionsfähigkeit und Radiersicherheit geprüft. Eine solche Nacharbeit führt zu einem absolut feinen und rückstandfreien Lauf des Radierens. Zahlreiche renommierte Designer aus dem In- und Ausland gaben diesem wertvollem Stück sein innovatives Aussehen. Radieren Sie energisch alles Bürgerliche in Ihrer Umgebung weg.

(Erhältlich im Adels-Shop. Klicken Sie bitte oben rechts auf die Parfüm-Flasche und dann auf die  jeweiligen Produkte)

Käsekuchen to go

"Käsekuchen, Käsekuchen!" ruft ein kleines besoffenes Schweinchen in einem genialen Cartoon von dem leider viel zu früh verstorbenen F.K.Waechter, während im oberen Geschoss eines Hauses sich jemand aus dem Fenster lehnt und "Pinki hierher!" ruft. 
Als ich gestern in blaublütiger Begleitung dem Kultkonditor Mr. Minsch in Kreuzberg meine Aufwartung machte, stand mir eigentlich der Sinn nach Käsekuchen. Es ist eine ungewöhnliche Konditorei, eigentlich nur ein Straßenverkauf, weil es keine Gasträume gibt. Wenn jedoch das Wetter schön ist, kann man draußen in einer skurrilen Mischung aus 70er-Jahre-Deko und Botanischer Garten zwischen Riesenpflanzen (wahrscheinlich Gimmicks aus den YPS-Heften), plätscherndem Springbrunnen und schrillen Wachstuchtischdecken seinen zuvor erstandenen Kuchen auf witzig bedruckten Sammelwandtellern (siehe Foto) verzehren.
Als ich die Schwarzwälderkirschtorte sah, ließ ich spontan meinen Käsekuchenwunsch fallen und wählte sie stattdessen (3 Euro, die Stücke sind aber größer als in konventionellen Konditoreien) und meine adelige Begleitung entschied sich für die Grenobler Walnusstorte. Da aber die Witterungsverhältnisse nicht zum Draußen sitzen animierten, erlaubte uns der nette Wirt vom Yorckschlösschen nebenan, dass wir unseren Kuchen in seinen Räumlichkeiten verspeisen durften. Dazu gönnten wir uns frisch aufgebrühten Bohnenkaffee. Es war wohl das reichhaltigste, leckerste und ungewöhnlichste Stück Schwarzwälderkirschtorte, das ich je gegessen habe! Meine Erlauchte Bekannte schaffte die Grenobler Walnusstorte gerade mal zur Hälfte und hatte so am nächsten Tag eine unerwartete zweite Kaffee- und Kuchenzeit.
Wäre in diesem Augenblick zufällig unser Pinki vorbeigekommen, hätte ich sofort auf Mr. Minsch gedeutet und laut gerufen: "Pinki, dahin!"

Mr. Minsch, Yorckstr. 15, 10965 Berlin-Kreuzberg, Telefon 28 45 08 94, U-Bhf. Mehringdamm

Mittwoch, 12. Mai 2010

Werbung ist die beste Reklame

Schinken-Willi

Wenn ich in Münster bei meiner Verwandtschaft bin und es zufällig ein Samstag ist, zieht es mich immer wie magisch auf den Wochenmarkt am Dom, um dort Pumpernickel und meine heißgeliebten Lufttrockenen Mettendchen zu kaufen. Schnurstracks führt mich mein Weg dann jedes Mal zu einem echten Westfälischen Original: Zu Schinken-Willi aus Davensberg.
Ihm höre ich immer begeistert zu, wenn er kabarettreif von seiner "Omma" erzählt, die, je nach aktueller politischer Lage, mal "Putzfrau bei Putin" ist oder für "die Piraten in Somalia" kocht - und zwar "Kapern mit Soße".
Als neulich eine junge Mutter mit ihrem 3-Jährigen Sprössling bedient wurde, fragte Willi sie, ob er dem Kleinen eine Scheibe Kinderwurst herunterreichen dürfe. Als die Mutter dieses bejahte, fügte er trocken hinzu: "Ist ja auch besser, als wenn'se rauchen."
Über diesen Witz musste ich sogar noch auf der Warendorfer Straße lachen -  doch da zuckte mir plötzlich ein Schreck durch alle Glieder: Ich hatte meine zuvor gekauften Mettendchen auf der Ladentheke von Schinken-Willi liegen gelassen!

Montag, 10. Mai 2010

Der Bayrische Wald mit den Augen eines Arschfickers gesehen oder Das Casanova-Projekt


Manchmal erinnert man sich wehmütig an Perlen des Humors seiner Jugend, die man mangels an Gelegenheit nie wieder sah. Auf der DVD „Die Filme der Gruppe Arnold Hau 1970-1981“ ist solch eine ganze Perlenkette zu sehen. Die Gruppe bestand aus F.K. Waechter, Robert Gernhardt, Bernd Eilert und Arend Agthe.
In dieser Zeit entstanden zahlreiche Low-Budget-Filme, die jahr­zehntelang fast unauffindbar waren und in Vergessenheit gerieten.
Da gab es zum Beispiel „Das Casanova-Projekt“. Ein komplexbela­dener Filmregisseur scheitert bei dem Versuch, die Memoiren Casa­novas zu Verfilmen, mit dem einmaligen und unvergesslichen Alfred Edel in seiner skurril-intellektuell Rollenauffassung als durchgeknallter Hauptdarsteller. Ein bewusst dilettantischer, unorganisierter Film, der das Thema "Film" zu hinter­gründiger und absurder Satire nutzt. Ein weiterer Beweis, dass lustige Filme nicht Millionen kosten müssen, ist „Milchkännchen und Fischstäbchen in der Antarktis“ („Komm ins Nirvana, es ist schön warm da“). Auf einem Küchentisch mit weißer Wachstischdecke gedreht und mit untergelegter Gustav-Mahler-Symphonie als Filmmusik vom Kassettenrekorder hatte er damals wahrscheinlich Produktionskosten von unter 20 Mark.
Alleine die Filmtitel bringen einen schon zum Lachen. Hier nur eine kleine Auswahl: Ein Mann wird Neger, Die Eier Gottes, Bei Familie Bockwurst ist der Senf angekommen, Juxbeutel kriegt Krebs, Yka holan tani kerka (Auf falscher Bahn, skandinavische Fassung), Jetzt bist du dran, Feilchen und mein absoluter Lieblingstitel: Der Bayrische Wald mit den Augen eines Arschfickers gesehen. Zum Totlachen!
Die Doppel-DVD (erhältlich bei www.absolutmedien.de) umfasst sämtliche Hau-Projekte, sowohl die Reali­sier­ten als auch die nicht Realisierten, mit Bernd Eilert und Arend Agthe die aus dem Nähkästchen plaudern plus umfangreichem Bonus­material. Summa Summarum: Eine seltene Perlenkette von unschätzbarem Wert und eine Stern­stunde Deutschen Humors!

Freitag, 7. Mai 2010

Seelenverkäufer

Im Zug der Deutschen Bahn von Berlin nach Osnabrück. Man sitzt in einem klapprigen, schmutzigen und übel riechenden 1.-Klasse-Abteil. Der zerschlissene Sitz quietscht wie eine Horde Kapuzineraffen kurz vor der Fütterung. Nach einer halben Stunde Fahrt ertönt eine schnarrende Lautsprecherstimme: "Der Bordtechniker bitte dringend in den Bistrowagen!"

Donnerstag, 6. Mai 2010

Es ist wieder Sportwagenzeit

MÄNNER

Mittwochmittag an der Ampel Spandauer Damm, Ecke Sophie-Charlotten-Straße. Ein junger Mann in Hip-Hop-Kleidung wartet auf Grün. Aus seinen Kopfhörern hämmert ein schneller Beat. Er liest gedankenverloren in einem kleinen Büchlein und kratzt sich dabei ungeniert an seiner Männlichkeit. Der Titel seiner Lektüre lautet: " Wie Männer ticken".

Mittwoch, 5. Mai 2010

Heute: Pralinentorte


Was macht ein Konditor ohne Arme und Beine? Rum kugeln. Ich pflege ja schon seit vielen Jahren den alten Brauch des Konditerns. Leider sind in Berlin viele Konditoreien von ungemütlichen Kaffeehausketten verdrängt worden. In einer muss man sogar seinen Namen bei der Bestellung angeben. Der wird dann mit Filzstift auf den Pappbecher geschrieben und wenn der Becher dann gefüllt ist, wird man aufgerufen. Meine Rache war, dass ich nicht „Lo“ angab sondern „Lo Graf von Blickensdorf“. Die studentische Aushilfskraft kam beim Schreiben ganz schön ins Schwitzen (hihi). Und als ich dann aufgerufen wurde, tuschelten alle und schauten zu mir rüber. Sie dachten sicher, da sitzt ein richtiger Graf. Womit sie ja auch nicht so ganz unrecht hatten. Neben dem Kaffee aus dem Eddingpappbecher muss man sich geschmacksneutrale und mumientrockene Muffins reinwürgen, die sich im Magen-Darmtrakt mit dem Kaffee zusammen zu einem zähen Tapetenkleister verbinden. 
Aber es gibt ja Gott lob noch Lichtblicke in dieser großen Stadt Berlin. Eines der leider nur noch seltenen anzutreffenden Cafés alter Schule befindet sich in der Kantstraße 81, schräg gegenüber vom Amtsgerichtsplatz. Es heißt Café Kredenz und man glaubt sich hier wie in einen alten 60er-Jahre-Film versetzt. Man hat das Gefühl, als würde jeden Augenblick Quasselstrippe Grete Weiser mit Heinz Erhardt im Schlepptau hereinkommen. In der liebevollen skurrilen Einrichtung in einer Mischung zwischen Gelsenkirchener Barock und Schloss Bellevue kann man wunderbar für ein paar Stunden der hektischen Zeit entrinnen und bei dezenter Jazzmusik sich von der netten Bedienung exzellente Torten von Konditern mit zwei (!) Armen servieren lassen. Und seinen Namen muss man bei der Bestellung auch nicht sagen.

Kredenz Cafè, Konditorei, Kantstrasse 81, Am Amtsgerichtsplatz, 10627 Berlin, Tel.: (030) 3270 42 95, Geöffnet: Mo - Sa: 11:00 - 19:00, So: 12:00 - 19:00