Mittwoch, 30. Juli 2014

Peter Grzan †

Peter Grzan Performance
Meine erste Begegnung mit Peter Grzan war 1978 in Münster. Ich leitete damals die Kneipengalerie Neuer Krug von Steffi Stephan, seines Zeichens Bassist bei Udo Lindenberg und Jovel-Betreiber, und stand nachts am Tresen, als Steffi zu mir kam und meinte, draußen auf dem Parkplatz warte jemand auf mich, der gerne in der Galerie ausstellen möchte. Da ich immer eine Wartezeit von einem Jahr hatte, war ich nicht sehr erfreut darüber. Die Galerie war nämlich immer total ausgebucht.
Peter Grzan WanderschuheDraußen auf dem Parkplatz empfing mich ein baumlanger Kerl mit Frank-Zappa-Bart, der lässig an seinem Volvo lehnte und mich sofort mit einem Scherz begrüßte. Dann öffnete er seinen Koffer­raum und präsentierte mir im trüben Schein der Straßenlaternen einige seiner Arbeiten. Ich traute meinen Augen nicht! Das waren ja die von mir immer bewunderten Bilder, Objekte und Gags aus der damals sehr erfolgreichen Satirezeit­schrift PARDON (später TITANIC). Nun hatte ich die Originale vor mir! Plötzlich gab es keine Wartezeit von einem Jahr mehr und ich zog ihn für den nächsten Monat vor – seine Ausstellung war ein voller Erfolg!
Doch leider gab es einen kleinen Wermutstropfen. Besonderes High­light waren nämlich seine Wanderschuhe mit den Mercedessternen. Dummerweise wurden die Originalschuhe während der Ausstellung gestoh­len. Der Dieb ließ dafür seine alten Turnschuhe zurück. Ich war sehr ärgerlich darüber, zumal die Ausstellung nicht versichert war. Klein­laut überbrachte ich Pit die schlechte Nachricht und erwartete eine ärgerliche Reaktion von ihm. Doch weit gefehlt! Er war begeistert von der Vorstellung, dass nun jemand eventuell mit seinen Merce­desschuhen im Bus oder in der Straßenbahn fährt. Das entsprach seiner Vorstellung der Omnipräsenz von Kunst, losgelöst vom Museum. Die Welt ein einziger großer Kunstraum – SEIN großer Kunstraum.
Nach und nach kamen wir uns immer näher und langsam entstand eine richtige Freundschaft. Ich nannte ihn mittlerweile immer scherzhaft aber voller Respekt „den großen Tschaaan von Persien“ und besuchte ihn oft auf seinem Bauernkotten in Ramsdorf, wo er neben Katzen, Hühnern und Heidschnucken seine Kunst machte. Dort lebte er in seiner eigenen Welt, ließ ein dressiertes Huhn durch einen brennenden Reifen springen und päppelte ein vom Mutterschaf verstoßenes Lämmchen namens „Hörnchen“ mit der Milchflasche auf. Da Pit kein Fleisch aß, lebten seine Hühner so lange, bis sie eines natürlichen Todes starben und wurden dann auf dem Hühnerfriedhof hinter der alten Scheune mit Würde beerdigt.
Ich lernte einen lustigen und hilfsbereiten Menschen kennen, der mich immer mehr faszinierte. Als ich Pit einmal in Velen auf der Straße überraschte, wie er mit dem örtlichen Pfarrer ein, mit Bibel­zitaten gespicktes, amüsant geführtes Streitgespräch führte, wun­derte ich mich darüber, dass er so bibelfest war. Als ich ihn später unter vier Augen darauf ansprach, woher er denn so viele Bibelzitate auswendig kenne, winkte er ab und schmunzelte: „Ach, die habe ich mir eben alle nur ausge­dacht.“
Er erheiterte mich immer wieder aufs Neue und brachte mich wie kein zweiter zum Lachen!
Als wir einmal auf einer vornehmen Künstlerparty in Hamburg-Blan­kenese waren und uns laut unterhielten und dabei ausgelassen lachten, kam jemand beschwichtigend auf uns zu und bat uns, et­was leiser zu sein, denn dort auf dem Sofa sitze der Herausgeber des Nachrich­tenmagazins DER SPIEGEL „der große Rudolf Augstein“. Solch unterwürfiges Verhalten mochte der Große Tschaaan überhaupt nicht und rief deshalb laut in den Raum: „Was? Rudolf Augstein ist auch da? Ist ja großartig! Ich habe nämlich alle seine Filme gesehen!“
Oder ein anderes Mal besuchten wir eine Ausstellung, die uns beiden nicht sonderlich gefiel. Dort schrieb er in das Gästebuch: „Hervorra­gende Ausstellung – herzlichst Prinz Poldi von Hohenlohe“.
Peter Grzan JesusZu Künstlern hatte Pit eine ganz besondere Zuneigung. Ihnen half er mit Rat und Tat, hatte immer unkonventionelle Lösungen in petto und hielt sich aber selbst immer bescheiden zurück. Hauptsache „seinen“ Künstlern ging es gut. Hier ein kleines Beispiel: Als er mich einmal in Berlin be­suchte, entdeckte er einen kleinen Schmuckla­den bei mir um die Ecke und kam mit der Goldschmiedin ins Gespräch. Sie schilderte ihm ein Problem, dass sie mit einem Schmuckstück hatte und nicht in den Griff bekam. Am nächsten Morgen hatte Pit über Nacht das Problem gelöst, ging rüber in den Schmuckladen, präsen­tierte der überglücklichen Künstlerin die Lö­sung und zog sich wieder bescheiden zurück! Er war wie ein Schutz­engel für Künstler! Auch mir hat er sehr oft aus der Bredouille ge­holfen, worüber ich ihm mein Leben lang dankbar sein werde!
In „seinem“ Kunstverein ART’IG veranstaltete er zahlreiche Ausstel­lun­gen und Konzerte mit vielen bekannten und unbekannten Künst­lern, u. a. mit Götz Alsmann, Josef Beuys, Ingo Insterburg, Thomas Kapielski, Johannes Grützke, Robert Gernhardt, Gottfried Helnwein, F.K. Waechter, Pigor & Eichhorn, Prof. Harry Kramer und Louisana Red, um nur einige zu nennen.
Wenn es mehr Personen vom Schlage Peter Grzans geben würde, sähe es in der Welt be­stimmt etwas besser aus. Viele Menschen, insbesondere seine Schüler und auch Künstler aller Kategorien, ha­ben Peter Grzans ge­sellschaftlichem, kulturellem und sozialem unkonventionellem Engage­ment sehr viel zu ver­danken! Zu Recht bekam er auch dafür vom Bundespräsidenten das Bundesverdienst­kreuz.
Doch über allem stand sein außergewöhnlicher Humor! Niemand wird mich jemals wieder so zum Lachen bringen, wie der große Tschaaan von Persien!

Peter Grzan * 28.07.1951 - 15.07.2014

Sonntag, 20. Juli 2014

WUNSCH

Heinzelzimmer 1Donnerstagmorgen im Hotel Nova in Lichtenberg. Ein Gast verabschiedet sich bei der jungen Dame an der Rezeption mit den Worten: “Und bleiben Sie bitte immer so schön!”
Diese von mir persönlich erlebte und aufgeschriebene Geschichte, erschien am 20.07.2014 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik "Berliner Liste".

Sonntag, 13. Juli 2014

Fashion Week Berlin 2014

Ältestenrat. Montagabend auf der Fashion Week im Humboldt Carreé in Mitte. Rolf Eden steht mit einigen jungen Damen im Foyer. Als die Damen plötzlich verschwunden sind, ruft einer erstaunt: “Oh, jetzt sind alle Damen weg!” Rolf Eden antwortet gelassen: “Glauben Sie mir, junger Mann – die kommen alle wieder!” 
Diese von mir persönlich erlebte und aufgeschriebene Geschichte, erschien am 13.07.2014 auch im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik "Berliner Liste". Auf dem Foto von links nach rechts: Kader Loth, Lo Graf von Blickensdorf, Raphaela Salentin, Joelle Meissner.