Donnerstag, 31. Dezember 2020

Eine Silvestergeschichte

Hans-Peter Wodarz, (HPW), Koch, Gastronom und Veranstaltungsmanager, bekannt durch sein Lokal „Die Ente vom Lehel“ und u.a. Projekte wie „Pomp Duck and Circumstance“ und „Hans-Peter Wodarz Palazzo“ feiert zum ersten Mal coronabedingt die ruhigste Silvesternacht seit 50 Jahren. Aus diesem Grunde hatte er Zeit, mit mir über seine wohl spektakulärste Silvesternacht seines Lebens zu reden.

Es war Silvester 1989 kurz nach dem Mauerfall in den DEFA-Studios Babelsberg. Live-Übertragung der Silvester-Gala in der ARD. Es traten auf: Nina Hagen, Johannes Heesters, das Orchester der Roten Armee, Tänzer und Tänzerinnen vom Friedrichstadt-Palast, Clownskellner, Tischzauberer und vieles mehr. Durch den Abend führte der Moderator Leo Lukoschik.
Doch dann kam der Schock der Schock der Nacht, wo bei HPW heute noch ein kalter Schauer über den Rücken fährt, wenn er nur daran denkt. Als das erlesene Deutsch-Russische Buffet von Sternekoch Peter Frühsammerv eröffnet wurde, stürzten sich 150 russische Soldaten darauf und innerhalb von Minuten war es ratzeputz aufgegessen und die Gala-Gäste mussten in die Röhre gucken. HPW: „Versuch‘ mal, 150 ausgehungerten Russen ohne Russischkenntnisse klarzumachen, dass das Buffet nicht für sie bestimmt ist – aussichtslos!“
Doch dann kam der Höhepunkt des Abends, der wieder alle versöhnte. Marlene Dietrich live am Telefon aus Paris! Das wohl letzte öffentliche Telefonat von Marlene Dietrich, in dem sie sich unter anderem für die Erhaltung der DEFA-Studios einsetzte. Unbedingt anhören! Gänse- nein Entenhaut pur!  
Ich hoffe, lieber HPW, dass wir uns 2021 in deinem Spiegelpalast am Bahnhof Zoo wiedersehen und mit einem Gläschen Schaumwein auf die Beendigung des Coronaspuks anstoßen. Prost! 

Spiegelpalast, Hertzallee, Berlin-Mitte

Foto: Christian Schneegaß

Sonntag, 22. November 2020

Darf man eigentlich über den Tod lachen?


Kein Monat hat so viel mit dem Tod zu tun, wie der November: Allerseelen, Allerheiligen, Volks-trauertag,  Totensonntag. Ich habe schon sehr früh viele gute Freunde verloren. Der heraus-ragenste war der Multikünstler Peter Grzan aus Dülmen. Ich habe in den 80er Jahren in der Galerie „Neuer Krug“ eine vielbeachtete Ausstellung mit ihm gemacht und danach wurden wir die besten Freunde. Als er 2014 starb, wurde ich gebeten, zu seiner Beerdigung die Trauerrede zu halten. Da Peter Grzan ein sehr humorvoller Künstler war, habe ich sie selbstverständlich mit Humor gewürzt. Doch darf man eigentlich über den Tod lachen, dachte ich damals. Er hatte sich einmal zu seiner Trauerfeier gewünscht, dass alle schwarzgekleideten Gäste Berliner Pfannkuchen mit viel Puderzucker bekommen – aber keine Gabel und keine Serviette. Prompt gab es auf seiner Trauerfeier Pfannkuchen mit viel Puderzucker. So eingepudert  habe ich noch nie schwarzgekleidete Trauergäste gesehen. Das hat für viel Erheiterung gesorgt.  
Auch Friedhöfe bringen mich oft zum Lachen. Vor ein paar Wochen habe ich einen Spaziergang über den Kölner Melatenfriedhof gemacht. Da entdeckte ich das Grab einer gewissen Frau Streit. Jedoch hatte die Friedhofsverwaltung gut sichtbar einen großen Zettel über den Grabstein geklebt, aus dem zu entnehmen war, dass die Friedhofsgebühren nicht bezahlt wurden und aus diesem Grunde in vier Wochen das Grab eingeebnet wird. Streit über den Tod hinaus, dachte ich schmunzelnd. Nomen est omen. 
Den Tod kann man leider oder Gottseidank nicht aufhalten. Ich habe einmal einen Cartoon gezeichnet, in dem der Leichenwagenfahrer sagt: „Tote sterben nie aus.“ Wie Recht er hat. Ich finde, man darf, nein, man sollte sogar über den Tod lachen. Denn vieles ist nur durch Lachen aushaltbar. Also auf meinem Grabstein wird einmal stehen: „Das war das letzte Mal, dass ich reingelegt wurde!“
 
Dieser Text erschien auch in meiner Kolumne "Seitenblick" am 14.11.2020 in der Münsterschen Zeitung

Foto: Privat

AUFTANKEN

 

Lidl in Charlottenburg. Ein Mann packt 20 Pack-ungen Milch aufs Kassenband. Anderer Kunde: "Watt'n, watt'n, watt'n - ist ihre Kuh jestorben?"

(Diese von mir persönlich erlebte und aufgeschriebene Geschichte erschien auch am 22.11.2020 im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik "Berliner Liste")

Cartoon: Lo Graf von Blickensdorf

Donnerstag, 12. November 2020

MASS HALTEN

Biergarten in Charlottenburg vor dem Lockdown. Sagt ein Gast: "Ist das gemütlich hier! Ich könnte jetzt ein Bier nach dem anderen trinken." Seine Tischrunde ermutigt ihn, genau das zu tun. "Nö," antwortet er, "ist mir zu anstrengend."
(Diese von mir persönlich erlebte und aufgeschriebene Geschichte erschien auch am 8.11.2020 im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik "Berliner Liste")

Illustration: Lo Graf von Blickensdorf, "Prost!", 1982, Öl auf Leinwand

Sonntag, 1. November 2020

TIME BANDITS


Morgens nach der Zeitumstellung im Schlosspark Charlottenburg. Ein Jogger fragt den anderen: "Nanu? Heute so früh?" - "Ja, heute Nacht muss ein Einbrecher heimlich alle meine Uhren zurückgestellt haben."
(Diese von mir persönlich erlebte und aufgeschriebene Geschichte erschien auch am 1.11.2020 im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik "Berliner Liste")

Donnerstag, 29. Oktober 2020

Fotograf Helmut Newton zum 100. Geburtstag

Gestern noch im Fernsehen – heute schon hier bei mir! Christian Schneegaß‘ Zeitschrift „BERLIN – Menschen Mode Fotografie“, in der ich mit diesem Cartoon vertreten bin. Wie der Cartoon schon ahnen lässt, ist das Schwerpunktthema der Zeitschrift „Helmut Newton zum 100. Geburtstag*“. Gastronom Hans-Peter Wodarz ("Die Ente vom Lehel"), der übrigens dieses Jahr ohne Corona sein 30jähriges Jubiläum des Restaurant-Theaters im Spiegelpalast gefeiert hätte, begleitete 1989 Newton eine Woche in Moskau, wo er eine große Ausstellung im Puschkin Museum hatte. Die bisher unveröffentlichten Fotos von Axel Ruske, die dort entstanden sind, kann man erstmalig in Christian Schneegaß‘ Zeitschrift sehen - eine kleine Sensation! 
 
(*am 31. Oktober 2020 wäre Helmut Newton 100 Jahre alt geworden)

Cartoon: Lo Graf von Blickensdorf
 
 
 
 
 
 

Sonntag, 18. Oktober 2020

Schulfach des Lebens

Wer hat diesen Spruch nicht oft in seiner Kindheit von den Erwachsenen gehört: „Zwei Schlüssel öffnen dir jedes Herz, zwei niedliche kleine blanke, gib acht, dass du sie nie verlierst, sie heißen ‚Bitte‘ und ‚Danke‘“. Gestern habe ich zwei jungen Frauen die Kaufhaustür aufgehalten. Sie haben mich angeschaut, als hätte ich mich ihnen in schamverletzender Weise gezeigt. ‚Danke‘ zu sagen kam ihnen auch nicht in den Sinn.  
Danach ging ich zum Konditern in ein Café, in dem eine herrlich gedämpfte Atmosphäre herrschte. Wie geschaffen, um in Ruhe einen schwierigen Text zu lesen. Doch kaum hatte ich ein Stück Herrensahnetorte vor mir stehen, setzten sich zwei mittelalte Frauen an den freien Tisch hinter meinem Rücken und redeten so laut wie ein Bahnhofslautsprecher. Die dominantere von beiden hatte zusätzlich noch eine Stimme wie an der Schultafel  quietschende Kreide. An Lesen war nicht mehr zu denken. Und die Torte schmeckte auch nur noch halb so gut.  
Es passiert mir oft, dass die Menschen mir direkt vor meiner Nase die Kaufhaustür zuschlagen lassen. Oder mir fällt etwas zu Boden und niemand bückt sich danach. Es sei denn, es ist ein 500-Euro-Schein. Meine Theorie ist ja, dass die Menschen es nicht mehr in Kindergarten, Schule oder Universität lernen und deshalb gar nicht mehr wissen, was gutes Benehmen ist. Ich fordere deshalb: gutes Benehmen muss Schulfach werden!  
Als ich noch in Münster lebte und ein kleiner Junge war, fuhren noch Autos über den Prinzipalmarkt. Vor dem Rathaus stand immer ein dicker gemütlicher Polizist, im Volksmund „Bubi“ genannt, der mit Trillerpfeife und meist mit humorvoll-freundlichen Worten den Verkehr regelte. Jährlich zu  Heiligabend hat sich dann die Münsteraner Bevölkerung dafür bedankt und ihn mit Geschenken überhäuft. Dann stand er inmitten einer Insel voller Geschenke und regelte den Verkehr. Heutzutage erleben Polizisten leider eher das Gegenteil.   
Wissen denn die Menschen eigentlich nicht, dass wir in einer Gemeinschaft leben? Und es sich viel schöner leben lässt, wenn man gegenseitig Rücksicht nimmt? Zu Corona-Zeiten erst recht.  
Schön, dass Sie meinen kleinen bescheidenen Text zu Ende gelesen haben. Danke.

Dieser Text erschien auch in meiner Kolumne "Seitenblick" am 27.9.2020 in der Münsterschen Zeitung

Foto: Privat

WUNSCHKONZERT

Kiezkneipe "Zur Linde" in Charlottenburg. Neben dem Tresen klebt ein Zettel: "Musikwünsche werden von uns mit Freude ignoriert."

(Diese von mir persönlich erlebte und aufgeschriebene Geschichte erschien auch am 18.10.2020 im Berliner TAGESSPIEGEL in der Sonntagsbeilage unter der Rubrik "Berliner Liste")


Cartoon: Lo Graf von Blickensdorf