Meine erste Begegnung mit Peter Grzan war 1978 in Münster. Ich leitete damals die Kneipengalerie Neuer Krug von Steffi Stephan, seines Zeichens Bassist bei Udo Lindenberg und Jovel-Betreiber, und stand nachts am Tresen, als Steffi zu mir kam und meinte, draußen auf dem Parkplatz warte jemand auf mich, der gerne in der Galerie ausstellen möchte. Da ich immer eine Wartezeit von einem Jahr hatte, war ich nicht sehr erfreut darüber. Die Galerie war nämlich immer total ausgebucht.
Doch leider gab es einen kleinen Wermutstropfen. Besonderes Highlight waren nämlich seine Wanderschuhe mit den Mercedessternen. Dummerweise wurden die Originalschuhe während der Ausstellung gestohlen. Der Dieb ließ dafür seine alten Turnschuhe zurück. Ich war sehr ärgerlich darüber, zumal die Ausstellung nicht versichert war. Kleinlaut überbrachte ich Pit die schlechte Nachricht und erwartete eine ärgerliche Reaktion von ihm. Doch weit gefehlt! Er war begeistert von der Vorstellung, dass nun jemand eventuell mit seinen Mercedesschuhen im Bus oder in der Straßenbahn fährt. Das entsprach seiner Vorstellung der Omnipräsenz von Kunst, losgelöst vom Museum. Die Welt ein einziger großer Kunstraum – SEIN großer Kunstraum.
Nach und nach kamen wir uns immer näher und langsam entstand eine richtige Freundschaft. Ich nannte ihn mittlerweile immer scherzhaft aber voller Respekt „den großen Tschaaan von Persien“ und besuchte ihn oft auf seinem Bauernkotten in Ramsdorf, wo er neben Katzen, Hühnern und Heidschnucken seine Kunst machte. Dort lebte er in seiner eigenen Welt, ließ ein dressiertes Huhn durch einen brennenden Reifen springen und päppelte ein vom Mutterschaf verstoßenes Lämmchen namens „Hörnchen“ mit der Milchflasche auf. Da Pit kein Fleisch aß, lebten seine Hühner so lange, bis sie eines natürlichen Todes starben und wurden dann auf dem Hühnerfriedhof hinter der alten Scheune mit Würde beerdigt.
Ich lernte einen lustigen und hilfsbereiten Menschen kennen, der mich immer mehr faszinierte. Als ich Pit einmal in Velen auf der Straße überraschte, wie er mit dem örtlichen Pfarrer ein, mit Bibelzitaten gespicktes, amüsant geführtes Streitgespräch führte, wunderte ich mich darüber, dass er so bibelfest war. Als ich ihn später unter vier Augen darauf ansprach, woher er denn so viele Bibelzitate auswendig kenne, winkte er ab und schmunzelte: „Ach, die habe ich mir eben alle nur ausgedacht.“
Er erheiterte mich immer wieder aufs Neue und brachte mich wie kein zweiter zum Lachen!
Als wir einmal auf einer vornehmen Künstlerparty in Hamburg-Blankenese waren und uns laut unterhielten und dabei ausgelassen lachten, kam jemand beschwichtigend auf uns zu und bat uns, etwas leiser zu sein, denn dort auf dem Sofa sitze der Herausgeber des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL „der große Rudolf Augstein“. Solch unterwürfiges Verhalten mochte der Große Tschaaan überhaupt nicht und rief deshalb laut in den Raum: „Was? Rudolf Augstein ist auch da? Ist ja großartig! Ich habe nämlich alle seine Filme gesehen!“
Oder ein anderes Mal besuchten wir eine Ausstellung, die uns beiden nicht sonderlich gefiel. Dort schrieb er in das Gästebuch: „Hervorragende Ausstellung – herzlichst Prinz Poldi von Hohenlohe“.
In „seinem“ Kunstverein ART’IG veranstaltete er zahlreiche Ausstellungen und Konzerte mit vielen bekannten und unbekannten Künstlern, u. a. mit Götz Alsmann, Josef Beuys, Ingo Insterburg, Thomas Kapielski, Johannes Grützke, Robert Gernhardt, Gottfried Helnwein, F.K. Waechter, Pigor & Eichhorn, Prof. Harry Kramer und Louisana Red, um nur einige zu nennen.
Wenn es mehr Personen vom Schlage Peter Grzans geben würde, sähe es in der Welt bestimmt etwas besser aus. Viele Menschen, insbesondere seine Schüler und auch Künstler aller Kategorien, haben Peter Grzans gesellschaftlichem, kulturellem und sozialem unkonventionellem Engagement sehr viel zu verdanken! Zu Recht bekam er auch dafür vom Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz.
Doch über allem stand sein außergewöhnlicher Humor! Niemand wird mich jemals wieder so zum Lachen bringen, wie der große Tschaaan von Persien!
Peter Grzan * 28.07.1951 - †15.07.2014