Mittwoch, 9. März 2011

Serviererinnen mit Selbstmordabsichten

Die Serviererin knallte mir die Schwarzwälderkirschtorte auf den Tisch, als wäre es eine ordinäre Schmalzstulle in einer verrauchten Berliner 24-Stunden-Kneipe. Und den Milchcafé stellte sie so hin, dass der Henkel von mir wegzeigte. Als wäre ich eine achtarmige Krake, die keine Mühe hat, mit einem ihrer Tentakel um die Ecke zu greifen. Und das ganze obendrein noch mit einem Gesichtsausdruck, als hätte sie vor, sich in den nächsten zehn Minuten zu entleiben.
So geschehen in einem renommierten Berliner Kaffeehaus. Für immerhin 3,80 EUR pro Stück erwartet man eine gute ausgebildete Bedienung und keine übernächtigte studentische Aushilfskraft, die wahrscheinlich mehrere dieser Jobs machen muss, um ihr BWL-Studium zu finanzieren. So dicke habe ich es auch nicht. Schließlich bin ich kein Bundestagsabgeordneter, der immer zu 1000 Spesen aufgelegt ist.
Manchmal sehne ich mir die servilen Serviererinnen mit den weißen, frisch gestärkten Häubchen und Schürzchen aus dem legendären und nicht mehr existenten Café Schucan in Münster zurück, das Münsteraner Bauhaie auf dem Gewissen haben.
Ist eigentlich Serviererin heute kein Lehrberuf mehr? Das wäre doch eine gute Alternative für viele Jugendliche, die händeringend eine Lehrstelle suchen.
In der Patisserie Harry Genenz (http://www.harry-genenz.de/genuss.html) ist es gottlob nicht so. Hier faszinieren mich jedes Mal die mannigfaltigen, wunderschön verzierten Törtchen (s.Fotos) in ihren vielen Formen und Farben. Hier wird hohe deutsche Konditoreikunst mit der französischen Patisserie verschmolzen und zu kleinen kunstvollen Skulpturen arrangiert. Sie tragen poetische Namen wie Charlotte von Waldfrucht oder  Mousse Chocolat-Törtchen Madagaska. Die Bedienung ist perfekt, doch leider gehört es auch hier nicht zum Standard, dass man ein Glas Leitungswasser zum Kaffee serviert bekommt. Und auch die Hintergrundmusik lässt manchmal etwas zu Wünschen übrig.
Doch was sagte neulich eine meiner Freun-dinnen, der ich mein Leid klagte, zu mir? „Voll-kommen ist niemand – nur der Graf von Blickensdorf, wenn er Torte isst.“ Das lass’ ich hier mal unkommen- tiert so stehen.



Patisserie Café Harry Genenz, Reichsstraße 102a, 14052 Berlin-Westend

2 Kommentare:

  1. Ein guter Gast ist niemals Last! :-))

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  2. Sibylle Vogelsang10. März 2011 um 12:31

    Lieber Herr Graf,

    als ehemalige studentische Aushilfsserviererin kann ich Ihnen versichern, dass ich niemals auf die Idee gekommen wäre, einem Gast seine Bestellung derart verwerflich auf den Tisch zu schmeißen (das „m“ müsste man eigentlich in Klammern setzen!).
    Waren Sie schon einmal in einer dieser vielen Shopping Malls – Arcaden heißen sie hierzulande – trés chic – und haben Sie mal gezählt, wie oft Sie dabei um haaresbreite von einer Tür erschlagen worden wären, die Ihnen die allermeisten Leute achtlos vor den Kopp hauen? Generationsübergreifend übrigens!
    Das hat noch nicht einmal mehr etwas mit „Dienstleistungswüste“ zu tun. Ich denke, wir leiden zunehmend unter der großstadtbedingten Massenmenschhaltung – mit allen neurotischen Symptomen, die jedes Käfighuhn kennt! Hacken, drängeln, schlagen, beißen – nach links oder rechts gucken lohnt sich nicht (erst recht nicht nach hinten), man sieht eh nix, weil gehirnblind - wer nett ist, kommt zuerst in die Pfanne!
    Trotz all dieser Unerfreulichkeiten hege ich immer noch die Hoffnung, dass Mensch für gutes Benehmen und freundlichen Umgang keine Ausbildung zur Restaurantfachkraft benötigt!
    Und ganz ehrlich, ich möchte auch keine Schmalzstulle hingesemmelt bekommen!
    Vielleicht sollte man für gewisse Anlässe Zweit-Visitenkarten zum Verteilen entwickeln, so etwas wie: „Lassen Sie mich Ihre gute Tat für heute sein und seien Sie nicht nur kompetent, sondern einfach mal nett!“

    Mit allerherzlichsten Grüßen
    Sibylle Vogelsang

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