Samstag, 6. Juli 2013

Armer Grosz

Grosz_ Herrentorte Prinz Reuss
Grosz Quittung„Meine Zeichnungen sind Ausdruck meiner Verzweiflung, Hass und Enttäuschung.“ sagte einmal der große George Grosz, nach dem nun ein Kaffeehaus und Restaurant im Haus Cumberland auf Berlins Kurfürstendamm eröffnet hat. Ich war nun schon einige Male im Grosz, in der Hoffnung wenigstens einmal ein positives Erlebnis zu haben. Fehlanzeige! Entweder man gerät an einen arroganten Schnöselkellner, der einen auch noch nach dem vierten Fingerzeig ignoriert oder das Stück Torte schmeckt nicht. 
Im ohne Zweifel sehr schönen Ambiente, einem gehobenen Wiener Kaffeehaus nachempfunden, machen einem leider obendrein rücksichtslose, laut telefonierende Russen mit Unmengen von Chanel-Tüten um sich verteilt, rucksäckige Touristen mittleren Alters in sündhaft teurer Funktionskleidung, als kämen sie gerade von einer Nanga-Parbat-Besteigung und beklunkterte Damen nebst halsspeckigen älteren Männern mit Goldkettchen und zerknitterten Hugo-Boss-Sakkos, den Aufenthalt zum Horrortrip.
Ich wählte eine hübsch anzusehende Herrentorte namens „Prinz Reuss“ (siehe Foto oben), die prompt von der ausnahmsweise mal netten Kellnerin auf edlem Geschirr und mit schönem Besteck serviert wurde. Doch die Torte hielt leider nicht, was ihr Aussehen und der Name versprach. Der Orangenlikörgeschmack überdeckte den Schokoladengeschmack total. Die kleingehackten Mandeln an der Rückseite schmeckten muffig-alt. Außerdem war das missglückte Lehrlingsstück total übersüßt. Das hatte zur Folge, dass mir die Torte noch Stunden nach dem Verzehr Pfötchen gab. Mein Tipp an den Konditorlehrling: Beim nächsten Backversuch einfach eine Packung Bullrich-Salz-Tabletten mit einbacken. Das beugt dem unweigerlich aufkommenden Sodbrennen vor. Oder noch besser - gleich den Beruf wechseln. Denn mit der „Torte“ bestehst du die Gesellenprüfung bei der Konditoreninnung sowieso nicht.
Der Cappuccino schmeckte obendrein auch noch eher nach einem chemischen Experiment als nach richtigem Cappuccino. Hier passt das Preis-Leistungsverhältnis keineswegs: Torte 4,50 EUR, Cappuccino 4,50 EUR, Summa Summarum: 9 Euro! Ein teurer „Spaß“!
Wie fast immer in Berlin (ich habe schon mehrfach darüber berichtet) stimmen schönes Ambiente und Qualität mal wieder nicht überein. Speziell Torten- und Kaffeefreunden rate ich deshalb von einem Besuch ab. Da kann ich nur ähnlich wie George Grosz sagen: Diese Rezension ist Ausdruck meiner Verzweiflung, Hass und Enttäuschung über ein „Kaffeehaus“ namens „Grosz“, das den Namen leider nicht verdient. Wenn das der alte Grosz noch miterlebt hätte - er würde sich im Grab umdrehen wie eine von Sodbrennen angetriebene Dampfturbine.

GROSZ, Kurfürstendamm 193/194, 10707 Berlin


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